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Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil zur
Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios gesprochen.
Danach ist die Forderung nach Weiterbezahlung, obwohl das Fitnessstudio seine
Leistungen wegen Corona nicht erbringen konnte, nicht rechtens. Ebenso müssen
sich die Kunden nicht darauf einlassen, dass die nicht zu nutzende Zeit quasi
als "Vertragsverlängerung" hinten dran gehängt wird. Das Gesetz
sieht hier vielmehr die Gutscheinregelung vor, die auch eine Möglichkeit
beinhaltet, sich den Gutscheinwert auszahlen zu lassen, wenn der Gutschein für
die Betroffenen angesichts ihrer persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist
oder der Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst wurde.
Das Urteil selbst liegt noch nicht im Wortlaut vor, aber wir geben an dieser
Stelle schon einmal die dazu erfolgte Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
vom 04.05.2022, Nr. 56/2021, wieder:
Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios
Urteil vom 4. Mai 2022 – XII ZR 64/21
Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob die Betreiberin eines
Fitness-Studios zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet ist,
welche sie in der Zeit, in der sie ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem
Kunden per Lastschrift eingezogen hat.
Die Parteien schlossen am 13. Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im
Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem
8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren
eingezogen wurde, betrug 29,90 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale.
Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die
Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020
schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto
des Klägers ein. Eine vom Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2020 erklärte
Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8. Dezember 2021 wurde von der Beklagten
akzeptiert. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 verlangte der Kläger von der
Beklagten die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge
für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020. Nachdem eine Rückzahlung
nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den
Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag
auszustellen. Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus,
sondern bot ihm eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den
Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den
Schließungszeitraum in Höhe von 86,75 € nebst Zinsen und außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hat das
Landgericht zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision, mit der
die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen
Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1,
§ 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge
hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht
entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß
§ 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte
Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden
musste, verlängert wird.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit
diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche
Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen
nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. So liegt
der Fall hier.
Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen
zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war
es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen
Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete
Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung
der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt
kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1
BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann
einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des
Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei
billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden
könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird - wie im
vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste
Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts
vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die
Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu
nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen
sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter
Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher
Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die
regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von
entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der
vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des
Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio
aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung
nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb
wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte dem
Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei
wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend
anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das
Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine solche
Vertragsanpassung wird zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise
vertreten. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen
§ 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen
an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht,
wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die
Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313
BGB aus, soweit -wie im vorliegenden Fall - der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB
erfüllt ist.
Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch
deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift
besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen
Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage
entgegensteht.
Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage
nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer
Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine
spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des
Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht
und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen
Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S.
948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine
solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313
BGB vorgeht.
Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen
Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von
Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen
werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht
eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung
für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der
Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter
oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte
zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss
führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine
existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber
die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen
für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben
könnten.
Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der
Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8.
März 2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die
Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den
Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen
Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1
EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB
wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt,
dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht
nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.
Durch diese "Gutscheinlösung" hat der Gesetzgeber unter
Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und
Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung
getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine
Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der
Geschäftsgrundlage findet daneben nicht statt.
Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:
§ 275 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den
Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285,
311a und 326.
§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach
Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag
nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung
vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit
einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere
der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am
unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. […]
§ 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt
der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3
entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der
nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3
nicht zu erbringen braucht. [...]
(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt
ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.
Art 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch
(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung
aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der
Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen
Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung
des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben.
[...]
(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung
aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber
berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen
Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu
übergeben.
(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann
von dem
Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen,
wenn
1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen
Lebensumstände
unzumutbar ist oder
2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.
Vorinstanzen:
LG Osnabrück - 2 S 35/21 - Urteil vom 9. Juli 2021
AG Papenburg - 3 C 337/20 - Urteil vom 18. Dezember 2020
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